Wie frühere Beziehungen unsere aktuelle Partnerschaft beeinflussen

Beziehung, Verliebt

Beziehungen sind wie ein Tanz: Die Schritte, die wir heute machen, sind oft von den Rhythmen geprägt, die wir in der Vergangenheit gelernt haben. Ob aus der Kindheit, früheren romantischen Beziehungen oder sogar Freundschaften – die Muster, die wir damals entwickelt haben, beeinflussen, wie wir heute lieben, streiten und vertrauen. Doch wie genau wirken sich diese Erfahrungen auf unsere aktuelle Partnerschaft aus? Und wie kann Paartherapie helfen, diese Muster zu erkennen und

gegebenenfalls zu verändern? In diesem Blogbeitrag tauchen wir tief in die Dynamik vergangener Beziehungen ein und zeigen, wie Paartherapie Licht ins Dunkel bringen kann.

Die unsichtbaren Fäden der Vergangenheit

Jeder Mensch bringt eine Art „Beziehungsgepäck“ in eine Partnerschaft mit. Dieses Gepäck besteht aus Erfahrungen, Erwartungen und Verhaltensweisen, die sich über Jahre hinweg geformt haben. Besonders prägend sind dabei zwei Phasen im Leben:

1.     Die Kindheit: Der erste Beziehungsentwurf

Unsere frühesten Beziehungen – vor allem zu Eltern oder anderen Bezugspersonen

– legen den Grundstein für unser Verständnis von Liebe, Sicherheit und Nähe. Die Art und Weise, wie unsere Eltern miteinander umgegangen sind oder wie sie uns emotionale Zuwendung gegeben haben, prägt unsere inneren „Beziehungsmodelle“.

Fachleute sprechen hier von Bindungsstilen, die in der Kindheit entstehen und unser Verhalten in romantischen Beziehungen beeinflussen.

·      Sicher gebundene Menschen haben oft gelernt, dass sie auf andere zählen können. Sie fühlen sich in Beziehungen wohl, können Nähe zulassen und gleichzeitig ihre Unabhängigkeit bewahren.

·      Ängstlich gebundene Menschen haben möglicherweise erfahren, dass Liebe unbeständig ist. Sie suchen oft nach Bestätigung und haben Angst vor Ablehnung.

·      Vermeidend gebundene Menschen haben gelernt, sich auf sich selbst zu verlassen, weil emotionale Nähe in der Kindheit unsicher war. Sie halten oft Distanz in Beziehungen.

·      Desorganisiert gebundene Menschen haben widersprüchliche Erfahrungen gemacht, was zu einem ambivalenten Verhalten in Beziehungen führen kann.

Diese Bindungsstile sind keine festen Schablonen, aber sie beeinflussen, wie wir Konflikte lösen, Nähe suchen oder auf Stress reagieren. Wenn zum Beispiel ein Partner mit einem vermeidenden Bindungsstil auf Streit mit Rückzug reagiert, während der andere mit einem ängstlichen Bindungsstil nach Nähe sucht, kann dies zu einem Teufelskreis führen, der die Beziehung belastet.

2.     Frühere romantische Beziehungen: Lektionen und Narben

Neben der Kindheit spielen auch frühere Partnerschaften eine große Rolle. Eine Beziehung, die mit Untreue endete, kann das Vertrauen in neue Partner

erschüttern. Eine Partnerschaft, in der man sich ständig beweisen musste, kann dazu führen, dass man in der aktuellen Beziehung übermäßig um Anerkennung kämpft. Selbst positive Erfahrungen können Erwartungen schaffen, die nicht immer mit dem aktuellen Partner übereinstimmen.

Zum Beispiel: Wenn jemand in einer früheren Beziehung viel emotionale

Unterstützung erhalten hat, könnte er oder sie enttäuscht sein, wenn der aktuelle Partner eher pragmatisch ist. Solche Unterschiede können zu Missverständnissen führen, weil wir unbewusst erwarten, dass alte Muster sich wiederholen.

Wie sich alte Muster in der aktuellen Beziehung zeigen

Die Muster aus der Vergangenheit manifestieren sich oft in alltäglichen Situationen.

Hier sind einige Beispiele, wie sie sich zeigen können:

·      Konfliktverhalten: Manche Paare geraten immer wieder in die gleichen Streitigkeiten, weil sie unbewusst alte Konfliktmuster nachspielen. Zum Beispiel könnte jemand, der als Kind Konflikte durch Schweigen „gelöst“ hat, auch in der Partnerschaft mit Rückzug reagieren.

·      Vertrauensprobleme: Wenn jemand in der Vergangenheit betrogen wurde, könnte er oder sie Schwierigkeiten haben, dem aktuellen Partner zu vertrauen – selbst ohne konkreten Anlass.

·      Erwartungen an Nähe und Autonomie: Ein Partner, der in der Kindheit wenig emotionale Wärme erfahren hat, könnte Schwierigkeiten haben, Nähe zuzulassen, während der andere sich nach intensiver Verbindung sehnt.

·      Selbstbild: Frühere Beziehungen können das Selbstwertgefühl prägen. Jemand, der sich in einer früheren Beziehung ungeliebt fühlte, könnte ständig nach Bestätigung suchen, was die Partnerschaft belasten kann.

Diese Muster sind oft so tief verwurzelt, dass wir sie nicht bewusst wahrnehmen. Stattdessen fühlen wir uns einfach „missverstanden“ oder „frustriert“, ohne den Ursprung dieser Gefühle zu verstehen.

Die Rolle der Paartherapie: Muster erkennen und verändern

Paartherapie bietet einen geschützten Raum, um diese unsichtbaren Muster sichtbar zu machen und an ihnen zu arbeiten. Hier sind die Schritte, wie Paartherapie dabei helfen kann:

1.     Bewusstmachung der Muster

In der Paartherapie geht es zunächst darum, die Dynamiken in der Beziehung zu verstehen. Ein erfahrener Therapeut oder eine Therapeutin hilft, wiederkehrende Konflikte oder Verhaltensweisen zu identifizieren. Durch gezielte Fragen und Gespräche können Paare erkennen, wie ihre Vergangenheit ihre aktuellen

Reaktionen prägt. Beispiel: Ein Paar streitet oft darüber, dass ein Partner sich zurückzieht, wenn es emotional wird. In der Therapie könnte herauskommen, dass dieser Rückzug aus einer Kindheit stammt, in der Emotionen als Schwäche galten. Diese Erkenntnis ist der erste Schritt, um das Verhalten zu verstehen und zu verändern.

2.     Verbindung zur Vergangenheit herstellen

Ein zentraler Aspekt der Paartherapie ist es, die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart aufzuzeigen. Therapeuten nutzen oft Methoden wie

die systemische Therapie oder die bindungsorientierte Paartherapie, um zu erforschen, wie frühere Erfahrungen die aktuelle Beziehung beeinflussen. Dabei

geht es nicht darum, Schuld zuzuweisen, sondern darum, Verständnis zu schaffen.

Beispiel: Ein Partner, der ständig um Aufmerksamkeit kämpft, könnte erkennen, dass diese Unsicherheit aus einer Kindheit stammt, in der Zuwendung unvorhersehbar war. Dieses Verständnis kann dem anderen Partner helfen, mit mehr Mitgefühl zu reagieren.

3.    Neue Verhaltensweisen lernen

Sobald die Muster klar sind, unterstützt die Paartherapie Paare dabei, neue Wege zu finden, miteinander umzugehen. Dies kann durch konkrete Übungen geschehen, wie zum Beispiel:

·      Kommunikationsübungen: Paare lernen, ihre Bedürfnisse klar und ohne Vorwürfe auszudrücken.

·      Rollenspiele: Um alte Muster zu durchbrechen, können Paare in der Therapie alternative Verhaltensweisen ausprobieren.

·      Achtsamkeitsübungen: Diese helfen, im Moment präsent zu sein und automatische Reaktionen zu hinterfragen.

4.     Stärkung der Beziehung

Paartherapie zielt nicht nur darauf ab, alte Wunden zu heilen, sondern auch darauf, die Beziehung zu stärken. Indem Paare ihre Muster verstehen, entwickeln sie mehr Empathie füreinander. Sie lernen, wie sie sich gegenseitig unterstützen können,

anstatt in alte Konflikte zu verfallen. 

Ein Praxisbeispiel: Anna und Tom

Um die Wirkung der Paartherapie greifbarer zu machen, hier ein fiktives Beispiel:

Anna und Tom sind seit fünf Jahren zusammen, streiten aber immer wieder über dasselbe: Anna fühlt sich von Tom ignoriert, wenn er nach einem stressigen Arbeitstag schweigt. Sie reagiert mit Vorwürfen, was Tom dazu bringt, sich noch mehr zurückzuziehen. In der Paartherapie stellt sich heraus, dass Anna als Kind oft das Gefühl hatte, für die Aufmerksamkeit ihrer Eltern „kämpfen“ zu müssen. Tom hingegen wuchs in einem Haushalt auf, in dem Emotionen selten gezeigt wurden, und lernte, Probleme allein zu lösen. Durch die Therapie erkennen beide, wie ihre Vergangenheit ihre Reaktionen prägt. Anna lernt, ihre Bedürfnisse ruhiger zu kommunizieren, anstatt mit Vorwürfen zu reagieren. Tom übt, seine Gefühle zu teilen, auch wenn es ihm schwerfällt. Mit der Zeit entwickeln sie ein tieferes Verständnis füreinander und finden neue Wege, miteinander umzugehen.

Fazit: Die Vergangenheit verstehen, die Zukunft gestalten

Unsere früheren Beziehungen sind wie ein unsichtbares Drehbuch, das unsere aktuellen Partnerschaften mitgestaltet. Doch dieses Drehbuch ist nicht in Stein gemeißelt. Paartherapie bietet die Möglichkeit, alte Muster zu erkennen, zu verstehen und zu verändern. Sie hilft Paaren, nicht nur ihre Konflikte zu lösen, sondern auch eine tiefere, erfüllendere Verbindung aufzubauen. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihre Beziehung von wiederkehrenden Mustern belastet wird, könnte Paartherapie der Schlüssel sein, um Klarheit zu schaffen und

neue Wege zu finden.

Literaturverzeichnis

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Relevanz: Beschreibt die verschiedenen Bindungsstile (sicher, ängstlich, vermeidend), die in der Kindheit

entstehen und romantische Beziehungen beeinflussen.

Gottman, J. M., & Silver, N. (2015). The Seven Principles for Making Marriage Work. New York:

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Relevanz: Bietet Einblicke in Beziehungsdynamiken und wie frühere Erfahrungen Konfliktmuster in

Partnerschaften verstärken können.

Johnson, S. M. (2013). Love Sense: The Revolutionary New Science of Romantic Relationships. New

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Relevanz: Erläutert, wie Bindungsstile in Paartherapien (insbesondere emotionsfokussierte Therapie)

genutzt werden, um Beziehungen zu stärken.

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Relevanz: Populärwissenschaftliches Werk, das die Auswirkungen von Bindungsstilen auf romantische

Beziehungen verständlich erklärt.

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Relevanz: Untersucht, wie frühere Beziehungen (einschließlich Untreue) das Vertrauen und die Dynamik

in aktuellen Partnerschaften beeinflussen.

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Relevanz: Verknüpft neurologische Erkenntnisse mit Bindungstheorie und zeigt, wie frühe Beziehungen

das emotionale Verhalten prägen.

Wallin, D. J. (2007). Attachment in Psychotherapy. New York: Guilford Press.

Relevanz: Beschreibt, wie Bindungsmuster in der Therapie aufgedeckt und bearbeitet werden können, um Beziehungen zu verbessern.

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