Fremdverliebt in einer Beziehung: Das 80/20-Prinzip

Es passiert oft unerwartet: Man ist in einer festen Beziehung, fühlt sich grundsätzlich wohl – und plötzlich taucht jemand auf, der das Herz höherschlagen lässt. Dieses Gefühl des „Fremdverliebens“ kann verwirrend, aufregend und zugleich belastend sein. Warum passiert das? Und wie kann man damit umgehen, ohne die bestehende Beziehung zu gefährden? In diesem Artikel beleuchten wir das Phänomen mithilfe des 80/20-Prinzips und zeigen, wie Sie Ihre Partnerschaft wieder stärken können.

Das 80/20-Prinzip: Warum wir suchen, was uns fehlt

Das 80/20-Prinzip, ursprünglich aus der Wirtschaft, lässt sich auch auf Beziehungen anwenden. Es besagt, dass wir in unserer Partnerschaft oft etwa 80 % unserer Bedürfnisse erfüllt sehen – Nähe, Vertrauen, Sicherheit, gemeinsame Interessen. Doch die restlichen 20 %, die uns scheinbar fehlen, können plötzlich übermäßig wichtig erscheinen. Vielleicht ist es die Spontaneität, die im Alltag verloren gegangen ist, oder das Gefühl, wieder begehrt zu werden.

Genau hier setzt das Fremdverlieben an: Eine neue Person scheint genau diese 20 % zu verkörpern. Sie wirkt aufregend, bringt frischen Wind und lässt uns für einen Moment vergessen, was wir an unserer Beziehung schätzen. Doch die Gefahr liegt darin, dass wir, während wir diesen 20 % hinterherjagen, die 80 % – die Stabilität, die gemeinsame Geschichte, die tiefe Verbindung – aus den Augen verlieren. Oft erkennen wir erst im Nachhinein, dass wir für einen kleinen Teil das große Ganze riskiert haben.

Warum verlieben wir uns fremd?

Fremdverlieben ist kein Zeichen dafür, dass Ihre Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Es ist vielmehr ein Signal, dass etwas in Ihnen oder in der Partnerschaft Aufmerksamkeit benötigt. Häufige Gründe sind:

  • Alltagsroutine: Der Alltag kann die Leidenschaft und Aufmerksamkeit in einer Beziehung überdecken. Eine neue Person bringt plötzlich wieder Aufregung. 
  • Ungelöste Bedürfnisse: Vielleicht sehnen Sie sich nach Anerkennung, Abenteuer oder emotionaler Tiefe, die Sie in Ihrer Beziehung gerade nicht spüren. 
  • Selbstfindung: Manchmal spiegelt die Anziehung zu einer anderen Person den Wunsch wider, sich selbst neu zu entdecken oder alte Sehnsüchte zu erfüllen. 

Das Fremdverlieben ist also weniger ein Problem der Beziehung, sondern vielmehr eine Einladung, genauer hinzuschauen – auf sich selbst und auf die Partnerschaft.

Was tun, wenn das Herz zweispaltet?

Wenn Sie sich fremdverliebt haben, stehen Sie vor einer Entscheidung: Lassen Sie sich von den Gefühlen leiten oder nutzen Sie sie als Chance, Ihre Beziehung zu reflektieren und zu stärken? Hier sind konkrete Schritte, die Ihnen helfen können:

1. Ehrlichkeit mit sich selbst

Nehmen Sie Ihre Gefühle ernst, ohne sie sofort zu bewerten. Fragen Sie sich: Was genau zieht mich an dieser anderen Person an? Welche Bedürfnisse werden dadurch angesprochen? Oft sind es nicht die Person selbst, sondern die Gefühle, die sie in Ihnen auslöst. Schreiben Sie Ihre Gedanken auf, um Klarheit zu gewinnen.

2. Abstand zur neuen Person

Um klare Entscheidungen zu treffen, schaffen Sie emotionalen und physischen Abstand zur Person, in die Sie sich verliebt haben. Dies gibt Ihnen Raum, Ihre Gefühle zu sortieren, ohne von der Aufregung überwältigt zu werden.

3. Kommunikation mit dem Partner

Offenheit ist der Schlüssel. Sprechen Sie mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin über Ihre Gefühle – nicht unbedingt über die andere Person, sondern über Ihre Bedürfnisse und Wünsche. Ein Gespräch wie „Ich merke, dass mir in letzter Zeit etwas Aufregung fehlt – lass uns gemeinsam etwas Neues ausprobieren“ kann Wunder wirken.

4. Die 80 % wiederentdecken

Richten Sie Ihren Fokus bewusst auf das, was Ihre Beziehung stark macht. Erinnern Sie sich an gemeinsame Erlebnisse, Werte und Momente, die Sie verbinden. Fragen Sie sich: Was schätze ich an meinem Partner? Was haben wir gemeinsam aufgebaut? Diese Reflektion hilft, die 80 % wieder ins Bewusstsein zu rücken.

5. Neue Impulse setzen

Bringen Sie frischen Wind in Ihre Beziehung. Das kann ein gemeinsames Hobby sein, ein Wochenendausflug oder einfach mehr Zeit für tiefgehende Gespräche. Überlegen Sie, wie Sie die 20 %, die Ihnen fehlen, gemeinsam mit Ihrem Partner erfüllen können.

6. Professionelle Unterstützung

Wenn die Gefühle Sie überfordern oder die Beziehung belastet ist, kann eine Paartherapie helfen. In unserer Praxis für Paartherapie unterstützen wir Sie dabei, Ihre Bedürfnisse zu klären, die Kommunikation zu verbessern und die Verbindung zu Ihrem Partner zu stärken.

Die Beziehung schätzen lernen

Fremdverlieben ist kein Ende, sondern eine Gelegenheit. Es zeigt Ihnen, wo Wachstum möglich ist – in Ihnen selbst und in Ihrer Partnerschaft. Indem Sie sich auf die 80 % besinnen, die Ihre Beziehung ausmachen, und aktiv an den 20 % arbeiten, können Sie nicht nur die Krise überwinden, sondern Ihre Liebe auf ein neues Level heben.

Praktische Übung: Dankbarkeitsliste

Nehmen Sie sich 10 Minuten Zeit und schreiben Sie auf, was Sie an Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin schätzen. Das können kleine Gesten, gemeinsame Erlebnisse oder Eigenschaften sein. Lesen Sie die Liste laut vor oder teilen Sie sie mit Ihrem Partner. Diese Übung hilft, den Fokus auf das Positive zu lenken.

Fazit

Fremdverlieben ist ein menschliches Phänomen, das in vielen Beziehungen vorkommt. Das 80/20-Prinzip zeigt uns, dass wir oft das suchen, was uns fehlt, nur um zu erkennen, wie viel wir bereits haben. Mit Offenheit, Reflexion und gezielten Schritten können Sie Ihre Beziehung nicht nur retten, sondern sie bewusster und tiefer gestalten.

In unserer Praxis für Paartherapie in Karlsruhe oder Online begleiten wir Paare dabei, solche Herausforderungen zu meistern. Kontaktieren Sie uns, wenn Sie Unterstützung suchen – gemeinsam finden wir Wege, Ihre Beziehung zu stärken.

Quellen:

Finkel, E. J. (2017). *The All-or-Nothing Marriage: How the Best
Marriages Work*. Dutton.



Schwartz, B. (2004). The Paradox of Choice: Why More Is Less.
Ecco.



Perel, E. (2006). *Mating in Captivity: Unlocking Erotic
Intelligence*. Harper.



Blow, A. J., & Hartnett, K. (2005). Infidelity in committed
relationships II: A substantive review. *Journal of Marital and
Family Therapy, 31*(2), 217–233.
https://doi.org/10.1111/j.1752-0606.2005.tb01556.x



Johnson, S. M. (2004). *The Practice of Emotionally Focused Couple
Therapy: Creating Connection* (2nd ed.). Routledge.

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